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Zivilisationsdynamik - Ernüchterter Fortschritt politisch und kulturell

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Beschreibung

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Die traditionsreiche literarische Gattung der Utopie tritt heute nahezu exklusiv als Schreckensutopie auf. Das ist ein gutes Zeichen. Statt Gewissheiten kommenden politischen Heils, das einst in den untergegangenen totalitären Systemen schrankenlos Aufopferungsbereitschaften einfordern liess, bewegen uns heute weltweit überwiegend Besorgnisse um triviale, nämlich elementare Voraussetzungen guten Lebens Wohlfahrt und soziale Sicherheit, verlässliches Recht und Frieden. Die Zugkraft dieser gemeinen Zwecke dynamisiert heute die zivilisatorische Evolution, die uns zugleich mit Erfahrungen ihrer Risiken und Folgelasten bedrückt. Der Grenznutzen des Fortschritts nimmt ab, Zukunftserwartungen werden darüber realistischer.
Das begünstigt zugleich die Entwicklung und Festigung demokratischer Institutionen. Keine intellektualisierten Ideale bringen sich darin zur Geltung, vielmehr die zwingenden und damit pragmatisierenden Angewiesenheiten moderner Lebensverhältnisse auf politische Selbstbestimmung. Auch noch in der aktuellen Pluralisierung der Staatenwelt sowie in der im Ganzen erfolgreichen Selbstbehauptung des Föderalismus spiegelt sich das wider. Sogar Formen direkter Demokratie setzen sich in vielen modernen Ländern wider die Neigung grosser Alt-Parteien, Monopole der Bürgerbetreuung zu konservieren, durch.
Irreversibel sind mit moderner Zivilisationsdynamik zugleich Säkularisierungsprozesse verbunden unaufhaltsam sogar in den Konflikten zwischen Emanzipation und fundamentalistischer Reaktion in islamisch geprägten Ländern und residual auch noch in der christlichen Welt.
In diesem Buch wird die Prognose riskiert, dass im Gegensatz zu prominenten Annahmen europäischer Aufklärung die moderne Zivilisation die Religion keineswegs zum Verschwinden bringt. Ganz im Gegenteil gewinnen die modernisierungsindifferenten Herausforderungen menschlichen Lebens an Prägnanz und Aufdringlichkeit, auf die sich rational einzig religiös antworten lässt.
Das und weitere Züge moderner Zivilisationsdynamik werden in achtzehn Kapiteln dieses Buches beschrieben von den Tendenzen der Selbsthistorisierung unserer Kultur bis zu den Scheinparadoxien demografischer Entwicklungen und von den Ungleichheitsfolgen egalisierter Rechte bis zum expandierenden Missbrauch der Moral als Mittel der Meinungskontrolle.
Ergänzend finden sich acht Kapitel zur Philosophie bedeutender Modernisierungstheoretiker von Georg Simmel bis zu Helmuth Plessner. Ein Abschlusskapitel macht plausibel, wieso sich die Philosophie als traditionsreiches Medium unserer Wirklichkeitsorientierung im Spezialisierungs- und Differenzierungsprozess moderner Wissenschaften keineswegs auflöst, vielmehr breitenwirksamer als je zuvor nachgefragt wird.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort
Einleitung
I. Selbstbestimmung.
Über die Pluralisierung politischer Lebenswelten
1. Politische Raumordnung in der zivilisatorischen Evolution
2. Subsidiarität. Zur europarechtlichen Positivierung eines Begriffs der Sozialphilosophie
3. Gemeinwohl und Bürgerinteresse. Wie sich der common sense politisch zur Geltung bringt
4. Politischer Moralismus totalitär
5. Politisierte Emanzipationsschicksale. Wieso es immer noch "Linke" und "Rechte" gibt
6. Moderne Heimat. Über kulturelle und politische Geltungsgewinne eines alten Gutes
7. Nationalstaatsphilosophien. Deutschland-Ansichten von aussen und innen
II. Ungleichheitsfolgen egalitärer Rechte
1. Ungleichheit in egalitären Gesellschaften
2. Sport egalitär und elitär. Leibesemanzipation kulturell und politisch
3. Alterszeiten. Neue Aspekte eines alten Lebensthemas
III. Werte und Interessen
1. Die Werte, die Kultur und das Geld
2. Kapitalismus modern geldpolitisch knappheitserfahrungsentlastet
3. Correctness. Moral als Mittel der Meinungskontrolle
4. Freundschaft und Brüderlichkeit Werte diesseits der Politik
5. Der Mensch als Würdenträger. Spezieszugehörigkeit als Höchstwert
IV. Zählende und erzählende Wissenschaften.
Prognosen und Vergangenheitsvergegenwärtigungen
1. Demographie kulturell und politisch
2. Das Vergessen und die Historisierung der Erinnerung
3. Archivarische Gewaltenteilung und andere Institutionen politischer Sicherung freier Vergangenheitsvergegenwärtigung
4. Wissenschaftsfreiheit und Wahrheitsinteresse. Zum hochschulpolitischen Kontext der Bologna-Erklärung
V. Religionskulturelle Voraussetzungen
und Folgen der Säkularisierung
1. Aufklärungsresistente Religion
2. Zivilreligion
3. Freiheit und Pluralisierung der Religion. Kulturelle und staatskirchenrechtspolitische Konsequenzen
VI. Modernisierungstheoretiker im Rückblick
1. Rudolf Eucken und der Idealismus. Weltanschauung nobelpreisgekrönt
2. Georg Simmels Philosophie der modernen Kultur. Das Geld, der Krieg und das Leben
3. Die Masse, der Nationalsozialismus und die Atombombe. Karl Jaspers als politischer Moralist
4. "Die verspätete Nation". Überraschende Ergebnisse einer Pflichtlektüre
5. Das Mängelwesen. Sozialphilosophische und politische Aspekte der Anthropologie Arnold Gehlens
6. Helmut Schelsky als Soziologe universitärer Forschung. Pragmatien organisierter Interdisziplinarität
7. Entrüstungsabstinenz. Sozilogischer Konservativismus bei Erwin Scheuch
8. Aufklärung demoskopisch. Eine Erinnerung an Elisabeth Noelle-Neumann
VII. Philosophie kulturell omnipräsent und
anschaulich auf den Begriff gebracht
Nachweise
Personenregister
Sachregister

Über den Autor / die Autorin

Hermann Lübbe, geboren 1926, ist em. Professor für Philosophie und Politische Theorie an der Universität Zürich. Er lehrte an vielen Universitäten des In und Auslands, war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie und von 1966-1970 Staatssekretär in Düsseldorf

Zusammenfassung

Die traditionsreiche literarische Gattung der Utopie tritt heute nahezu exklusiv als Schreckensutopie auf. Das ist ein gutes Zeichen. Statt Gewissheiten kommenden politischen Heils, das einst in den untergegangenen totalitären Systemen schrankenlos Aufopferungsbereitschaften einfordern liess, bewegen uns heute weltweit überwiegend Besorgnisse um triviale, nämlich elementare Voraussetzungen guten Lebens – Wohlfahrt und soziale Sicherheit, verlässliches Recht und Frieden. Die Zugkraft dieser gemeinen Zwecke dynamisiert die zivilisatorische Evolution, die uns zugleich mit Erfahrungen ihrer Risiken und Folgelasten bedrückt. Der Grenznutzen des Fortschritts nimmt ab, Zukunftserwartungen werden darüber realistischer. Irreversibel sind mit moderner Zivilisationsdynamik zugleich Säkularisierungsprozesse verbunden – unaufhaltsam sogar in den Konflikten zwischen Emanzipation und fundamentalistischer Reaktion in islamisch geprägten Ländern und residual auch noch in der christlichen Welt. In diesem Buch wird die Prognose riskiert, dass im Gegensatz zu prominenten Annahmen europäischer Aufklärung die moderne Zivilisation die Religion keineswegs zum Verschwinden bringt. Im Gegenteil gewinnen die modernisierungsindifferenten Herausforderungen menschlichen Lebens an Prägnanz und Aufdringlichkeit, auf die sich rational einzig religiös antworten lässt.

Vorwort

Religion als rationale Antwort auf die moderne Zivilisation?

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